Donnerstag, 1. August 2019

Therapiefrust

Ich war inzwischen bei der Psychosomatik, aber alles, was denen eingefallen ist, wäre, mich ein paar Wochen stationär aufzunehmen, um mich in der Gruppe zu bespaßen. Aber diesmal nicht. Ich seh nicht ein, wo da der Unterschied zu Reha und Tagesklinik sein soll (außer dass man nicht mal abends seine Ruhe haben darf, weil man 24/7 von fremden Menschen umgeben ist). Diese ganzen Therapien gehen immer von völlig falschen Prämissen aus, nämlich:

a) dem Patienten ist langweilig und
b) der Patient fühlt sich einsam

Deshalb versucht man, ihn den ganzen Tag in Gruppentherapien zu stecken, damit er gefälligst sinnvolle (oder zumindest keine destruktiven) Beschäftigungen findet und ein Gemeinschaftsgefühl hat. Dabei ist man noch dazu wenig kreativ. Es ist immer wieder das selbe:

- Sport... an sich in Ordnung, aber bei chronischer Erschöpfung nichts, was man jemals freiwillig tun würde... außer vielleicht ein bisschen leichtes Yoga oder so, kann ich auch allein tun
- Tanztherapie... die sprichwörtliche Hölle auf Erden
- Musiktherapie... zu laut, aber das geht noch
- Kunsttherapie... das einzige, das mir Spaß gemacht hat, wenn ich gerade in der richtigen Stimmung dazu war, aber das kann ich auch zuhause machen
- Gruppengespräche... das deprimierendste überhaupt, weil man merkt, wie sich alle immer und immer wieder im Kreis drehen und niemand jemals irgendwelche Fortschritte macht
- kollektives Singen... das ist fast noch schlimmer als die Tanztherapie, aber da fällt es zumindest nicht so auf, wenn man nur so tut als ob... Ohrenstöpsel darf man aber leider nicht tragen
- Entspannungstherapie... nett, dabei schlaf ich immer ein, das kann ich auch zuhause

Das war's. Das sind fast alles Beschäftigungen für Leute, die komplett verlernt haben, sich selbst zu beschäftigen. Bei denen mag das sinnvoll sein. Aber ich habe meine eigenen Projekte, um die ich mich viel lieber kümmern würde, wenn ich die Kraft dazu hätte (in der Reha haben sie uns wenigstens lesen lassen, wenn wir gerade mal keinen Bock auf Kunst hatten). Dieses Problem wird aber völlig außer Acht gelassen... statt dessen knallen sie einem den Terminplan von 7 bis 7 voll und danach hat man auch noch gesellig zu sein. Das würde ich keine 3 Tage durchhalten. Ich brauche meine Alleinzeit so dringend wie die Luft zum Atmen... und mehr als nur 5 Minuten auf dem Klo oder so.

Was das Gemeinschaftsgefühl angeht, für sowas bin und war ich schon immer komplett unempfänglich. Deshalb hatte ich auch nie Probleme mit Gruppenzwang. Es war mir schlicht schon immer total egal, was die anderen machen, ich hatte meine eigenen Vorstellungen und Interessen. Und wenn A. nicht gewesen wäre, würde ich sogar behaupten, ich bin komplett unfähig, irgendwelche tieferen Bindungen zu Menschen einzugehen. Ich komm mit den meisten Leuten auf 'ner oberflächlichen Ebene gut klar, ja, aber sie interessieren mich sonst nicht weiter und ich finde es anstrengend, immer geistig präsent sein zu müssen, weil irgendwelche Reaktionen von einem erwartet werden. Bei A. war das anders, er hat mich komplett verstanden, ohne dass ich jemals irgendwas erklären musste. Aber sowas findet man höchstens einmal in einer Million und schon gar nicht in der Therapie. Das einzige, was ich mit diesen Leuten gemeinsam haben werde, ist die Krankheit... und das ist keine Basis für irgendeine Art von privater Beziehung. Wer will mit seinen Freunden schon ständig nur über Depressionen und Schmerzen reden? Niemand, nicht mal jemand, der jeden Tag darunter leidet. Ich hab mittlerweile 20 Jahre Gerede darüber hinter mir und irgendwann isses auch mal gut... es bringt ja doch nichts.

Gut, manchen Menschen mag das vielleicht helfen. Manch einer fühlt sich vielleicht tatsächlich nur einsam oder gelangweilt. Aber ich bin weder einsam, noch ist mir langweilig. Ich bin nur chronisch erschöpft. Und mir fehlt A., aber das ist was völlig anderes und daran kann ich nichts ändern.

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