Sonntag, 16. September 2018

Atemnot

Wir haben das Wochenende im Garten verbracht. Wird vielleicht das letzte gewesen sein. Oder das vorletzte. Tagsüber ist es noch angenehm warm, aber die Hütte kühlt nachts aus und es gibt keine Heizung. Leider. Könnte man dort das ganze Jahr über wohnen, würde ich da raus ziehen.


Ich hasse es, in der Stadt eingesperrt zu sein. Es ist laut, grell, dreckig und voller rücksichtsloser Menschen. Es gibt nichts, wo man hingehen kann, wenn man seine Ruhe will (nicht mal die eigenen 4 Wände, weil immer irgendein idiotischer Nachbar Krach macht)... außer vielleicht in die Bibliothek. Sie sind überall. Das einzige, was es mehr als genug gibt, sind Einkaufzentren. Dieser scheiß Kapitalismus macht mich krank. Wo man früher mal durchgehen konnte, sind jetzt Zäune und Mauern. "Privatbesitz. Betreten verboten!" Leider ist das dort, wo wir unseren Garten haben, auch schon so. Früher waren dort fast nur Lauben oder kleinere Wohnhäuser. Jetzt sind fast alle Grundstücke von irgendwelchen Geldsäcken aufgekauft worden, die sich da Riesenvillen hinpflanzen. Dauernd Baustellenlärm und das Seeufer ist fast komplett zugebaut. Trotzdem ist unser kleiner Garten der einzige Ort, an dem ich noch halbwegs atmen kann. Ich schlafe da auch viel besser als Zuhause, obwohl das Sofa, auf dem ich schlafe, bretthart ist und mir morgens meistens der Rücken wehtut. Aber ich bin trotzdem ausgeruhter.

Leider bin ich in unserer Familie wohl die einzige, die das noch so sieht. Mein Bruder interessiert sich nicht für den Garten, weil er da nicht Computer spielen kann. Er war dieses Jahr nicht ein einziges Mal draußen und mein Neffe wird wohl genauso ein Stubenhocker werden, wie er. Mein Opa und mein Onkel kommen auch kaum noch raus und wenn doch, sitzen sie nur die ganze Zeit vor dem Fernseher. Nur meine Eltern sind noch halbwegs zu motivieren, aber Mama hat immer Rückenschmerzen und Papa muss dauernd irgendwas reparieren, was kaputt gegangen ist, und hat für anderes keine Zeit. Und weil ich nicht die ganze Gartenarbeit allein schaffe (bzw. andere Vorstellungen habe, als meine Mutter... mich stört ein bisschen Unkraut z.B. nicht) und alles immer teurer wird, reden sie ständig davon, den Garten zu verkaufen.

Wenn das passiert, geh ich endgültig ein! Der Garten ist wirklich das einzige, was mich noch am Leben hält. Die einzige Alternative wäre, auf irgendeine möglichst spärlich bewohnte Insel zu ziehen. Weit weg aus dieser beschissenen Stadt. Aber ich bin Realist, ohne meine Ärzte und meine Familie bin ich genauso verloren. Ich fühle mich, als würde mir jemand ganz langsam die Luft abwürgen...


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